Dienstag, 23. September 2008

Der lange Zieleinlauf zum Marathonstart

Sonntagmorgen, kurz vor sechs Uhr. Stunden der Wahrheit? Am letzten Wochenende musste der lange Lauf wegen der Nachwirkungen einer Erkältung ausfallen. Seitdem kürzere „Aufbauläufe“ absolviert, bis maximal 16 Km Länge. Jetzt gibt es kein Pardon mehr. Hopp oder Flop? Drei Wochen bis zum RWE-Marathon um den Baldeneysee. Am Freitag hatte es erneut leichte Anzeichen für eine Erkältung gegeben. Nagende Zweifel melden sich lautstark und verunsichern mein Ego.

Sonntagmorgen. Es ist nicht nur empfindlich kühl. Es ist auch noch dunkel. Die Taschenlampe dabei. Nur für ein kleines Waldstück in den ersten beiden Runden. Dann wäre genug Licht da. Ich bin noch müde. Aber sonst gibt es nichts worüber ich mich beklagen könnte. Ich laufe los. Es gibt keine Probleme. Nach wenigen hundert Metern weiß ich, das wird heute gehen. Wenn das heute klappt, dann ist das mehr als die halbe Miete. Dann noch eine Woche und noch ein langer Lauf. Dann ist der Marathonstart mehr oder weniger gebongt, so glaube ich wenigstens. Ich befinde mich sozusagen im Zieleinlauf vor dem Start. Fange an zu rechnen. Na ja, 140 Km könnten es bis dahin noch sein. Den aktuellen Lauf mit einbezogen. Ist also nicht mehr weit (grins).

Ich laufe ungewohnt langsam an. Vielleicht ist es noch die Müdigkeit, die Vorsicht, ich könnte nicht richtig fit sein oder das Wissen, dass der Weg heut noch lang sein wird. Nur ganz allmählich und ganz vorsichtig finde ich mein gewünschtes Tempo. Ein erstes Hindernis, ein tief herunter hängender Zweig über dem Gehweg. Den kenn ich schon. Kurz davor ein Verkehrsschild am Straßenrand. Mir dient es warnend zur Orientierung. Ich halte mein behutsames Tempo und es geht ganz leicht. Die Dämmerung schafft Licht. Vor mir läuft eine Katze über den Weg. War die schwarz? Bin ich abergläubisch? Dann in der 2. Runde kommt mir ein Radfahrer auf dem Randstreifen der Kreisstraße entgegen. Der fährt ziemlich schnell und schwankt hin und her. Ich bin irgendwie beunruhigt und beschließe aufzupassen. Noch wenige Meter. Der hält tatsächlich voll auf mich zu. Rasch weiche ich zwei Schritte zur Seite aus. „Tschuldigung“. Er hat mich entdeckt. Aber da wäre es wohl zu spät gewesen. Glück gehabt.

Ich drehe weiter meine Runden. Bis zur Hälfte (15,9 Km) halte ich diszipliniert mein vorgegebenes Tempo. 6:53 Minuten pro Kilometer. Fast so wie beim letzten Marathon. Nach meinem an Steffny`s Laufbuch orientierten Trainingsplan dürfte ich noch etwas langsamer. Will ich aber nicht. Als ich nach der 6. von 10. zu laufenden Runden einen Schnitt von 6:30 Min./km für diese Runde erreicht habe, bin ich doch etwas erschrocken. Das kann auch nach hinten losgehen. So bremse ich mich dann erstmal ein Wenig.

Jetzt sind auch die ersten Fußgänger unterwegs. Die üblichen Verdächtigen, meistens mit Hund. Ich lege insgesamt drei kleine Trinkpausen am Auto ein; das heißt ich schnappe mir einen mit Wasser gefüllten Becher aus dem Kofferraum und kippe mir das Wasser im Gehen runter. Der leere Becher wird am nächsten Abfallkorb entsorgt. Lange erprobt und klappt bestens. Bei der letzten Getränkeaufnahme kommen mir zum zweiten Mal zwei ältere Frauen (so um die 70) mit drei Hunden entgegen. Sie sehen sich vielsagend an. Die Gesichtsausdrücke lassen keinen Zweifel aufkommen. Die halten mich für völlig verrückt. Wenn die wüssten, dass ich sch zweieinhalb Stunden unterwegs bin und noch eine gute Stunde vor mir habe. Der Gedanke bringt mich leicht zum Schmunzeln. Müssen die ja auch nicht verstehen.

Auf den letzten drei Runden lasse ich es laufen. Zügig weiterlaufen. Es geht immer noch gut. Wann kommt das Körpersignal, dass es jetzt bald reicht. Sicher, die Beine sind schon etwas schwerer geworden. Aber sonst kommt heute nichts mehr. Ein bisschen Euphorie. Heute könnte ich ihn (den Marathon) laufen. Aber das kann man gut sagen, wenn bei knapp 32 Km Schluss ist. In der letzten Runde versuche ich nochmals Kräfte frei zu machen. Ich schaffe in der 2. Hälfte einen Schnitt von 6:32 Min./Km. Zweifel sind weggeblasen. Optimismus hat wieder Oberhand gewonnen.

Montag, 8. September 2008

Lektion gelernt!

Sonntag standen 31,8 Km an. Nur eine Woche nach dem 30 Km Lauf in Bertlich. Dieses Mal ließ ich es aber langsam angehen. Schließlich war es „nur“ Training. Außerdem hatte ich meine Lektion aus der Hitzeschlacht gelernt. Lieber langsam anfangen, als später entkräftet einbrechen. Zeit um schneller zu werden hat man beim langen Lauf noch genug.

Am Sonntag war es weder die Hitze noch das Tempo, das mir Schwierigkeiten machte. Auch, dass ich mich kurz vor 6 Uhr noch im Dunkeln auf dem Weg machte, war nicht das Problem. Der innere Schweinehund hatte aber überhaupt kein Verständnis dafür, dass er mehr als dreieinhalb Stunden gequält werden sollte. Und so war es auf den ersten 20 Km auch schwere Kopfarbeit, die geleistet werden musste. Ich musste mich regelrecht zum Laufen zwingen. Dann ging es auf einmal. Weiß der Geier wie so was möglich ist. Vielleicht auch die Aussicht, dass das Laufende näher rückte?

Die Temperaturen waren optimal, so etwa bei 15 Grad. Da läuft es sich anders als bei Hitze. Nur der Wind schüttelte mich regelmäßig durch.

Bei der 30 Km-Marke war ich fast 2 Minuten schneller als die Woche zuvor in Bertlich. Die falsche Zeiterfassung dort ist übrigens korrigiert. Mit 6:50 Minuten pro Kilometer bin ich den anvisierten Schnitt gelaufen, war 3:37:15 Std. unterwegs.

Eigentlich habe ich diesen Lauf gut verkraftet. Habe mir aber irgendwann am Wochenende eine Erkältung eingefangen und bin schlapp.

Mittwoch, 3. September 2008

Kilometersammler

263,8 Laufkilometer im August. Das ist ein persönlicher Rekord für einen Monat. Gebraucht habe ich dafür 28:57:01 Stunden und ergibt einen Schnitt von 6:35 Min./Km. Das Ganze war auf 18 Trainingseinheiten verteilt (= 14,650 Km im Schnitt.

Die bisherige Bestmarke stammt aus dem Juli 2007 mit 256,650 Km in 32:37:09 Stunden und einem Schnitt von 7:38 Min./Km. Ich laufe den Kilometer gut eine Minute schneller als vor einem Jahr.

Vor dem letzten Monat war der kilometerumfangreichste Monat in diesem Jahr der März mit 219,550 Km. Das ist jetzt eine heftige Steigerung gewesen, die ich allerdings auch in den Knochen spüre (Aua).

Dienstag, 2. September 2008

... wie Flasche leer!

Was mich am Sonntag wohl geritten hat bei den Straßenläufen in Bertlich über 30 Km an den Start zu gehen, dass weiß ich wohl selbst nicht so ganz genau. Der Lauf startete um 12 Uhr Mittags. Temperaturen bis 30 °C waren angekündigt. Erreicht wurden sicherlich zwischen 28 °C und 29 °C. Sicher stand bei mir ein langer Lauf an. „Gerne“ auch die 30 Km, wenn es denn sein muss. Aber warum bitte schön nicht morgens um 6 Uhr, bei mir vor der Haustür und bei erträglichen Temperaturen noch deutlich unter 20 °C ?

Ich hatte es mir vorgenommen, also lief ich auch in Bertlich. Wollte die 30 Km mal etwas schneller laufen als im Training. Nicht alles ausreizen was möglich ist, aber eben etwas schneller. Und unter ernsthaften Wettbewerbsbedingungen. Also zumindest für mich wurde es dann ziemlich ernsthaft.

Hatte ziemlich viele und teils hart gelaufene Kilometer aus den letzten 2 Monaten in den Knochen. Bin persönliche Bestzeiten über 10 Km und HM gelaufen. Dazu war das entsprechende intensive Training nötig. In den Tagen vor Bertlich habe ich schwere Beine gespürt.

Beim Start habe ich mich gleich ganz nach hinten sortiert. Das Experiment hätte auch unter dem Motto laufen können: „Von einem der auszog Letzter zu werden.“ Ich hatte mir die Ergebnislisten aus den letzten Jahren angesehen. Bei den 30 Km gibt es anders als auf anderen Distanzen wohl kaum Volksläufer, die aus Jux und Dollerei und ohne Rücksicht auf eine ordentliche Zeit an den Start gehen. Die Aussicht ganz hinten zu landen war also schon gegeben.

Ich wollte um die 6:30 Min./Km laufen. Die ersten beiden Km waren um insgesamt 30 Sekunden zu schnell. Der 3. Kilometer war zu langsam. Ich hatte noch Anschluss zu einer kleinen Gruppe. Aber auch hinter mir gab es noch einige Einzelkämpfer. Vor mir entnahm ich aus dem Gespräch zwischen einer älteren (ca. 60) und einer jüngeren Läuferin, dass sie eine Zeit um 3 Stunden anstrebten. Ich nahm sofort einen weiteren Gang raus. Hatte aber noch einige Zeit Sichtkontakt. 5 Kilometer schaffte ich in 32 Minuten, immer noch etwas schneller als mein Fahrplan, aber ich dachte mir noch nichts dabei, obwohl ich die Hitze schon sehr fürchtete. Noch deutlich vor der 10 Km-Marke hatte ich die jüngere Läuferin aus dem Gespräch ein. Und auch 2-3 andere Läufer fielen von etwas weiter vorne nach etwas weiter hinten zurück. Die Hitzeschlacht würde Opfer finden. Dessen war ich mir sicher. Hoffentlich gehörte ich nicht selbst dazu. So zog ich ziemlich einsam meine Meter runter. Nutzte jede Wasserstation, nahm meistens gleich 2 Becher auf. Gut dass ich einen Waschlappen dabei hatte, so konnte ich mir ab und zu den Schweiß aus dem Gesicht abwischen. Ich wusste nicht, ob es Schwämme geben würde. Die gab es aber an einigen Stellen in entsprechenden Wasserbehältern. Auch da griff ich zu, und wrang den klatschnassen Schwamm über den Kopf aus.

Die 10 Km absolvierte ich in genau 65 Minuten. Sah aus wie eine Punktlandung, war es aber nicht wirklich. Ich profitierte zu dem Zeitpunkt lediglich noch von dem kleinen Vorsprung der ersten Kilometer. Meine Pflaster auf der linken Seite der zum Schutz der Brustwarze hatte sich gelöst. Auf der anderen Seite begann die Sicherheitsnadel spürbar zu scheuern. Na dann viel Spaß für die restlichen 20 Km. Weiter ging mein ziemlich einsamer Lauf durch die Hitze. Ich passierte 3 Läufer die eine Gehpause einlegten oder schon aufgehört hatten? Es gab dann bald auch Sichtkontakt zu ein paar der wenigen Marathonläufern. Einige waren richtig flott. Andere hatten aber auch zu kämpfen. Auch die 30 Km-Läufer Magdalene und Volker lernte ich kennen. Ihre T-Shirts wiesen sie als „Pseudoläufer“ aus. In aller Regel war ich aber alleine unterwegs. Dann passierte ich das Schild für die 15 Km in 1:37:40 Stunden. Die Zeit sah noch ordentlich aus. Ich aber garantiert nicht mehr. Die zweite Runde und das ganze noch einmal. Ich fühlte mich schon schrecklich ausgelaugt, hörte hinter mir ein paar schnelle Schritte. „Läufst du auch die 30“, fragte mich die herantappende Läuferin. Es folgte ein kurzes Gespräch über „diese Quäler“. Sie sagte noch, dass sie überlegt auszusteigen, weil auch die Zeit „beschissen“ werden würde. „Die Zeit ist mir egal“, erwiderte ich, die Läuferin hinter mir war schon verschwunden.

Die 20 Km-Marke verriet mir nach 2:12:30 Stunden, dass ich schon deutlich langsamer wurde. Noch deutlicher war es bei 21 Km. Ich hatte darauf geachtet um in etwa einschätzen zu können wie es in etwa bei der Halbmarathon-Distanz aussehen würde. 2:20 Stunden sprachen eine deutliche Sprache. Ich war dabei einzubrechen. Und noch soweit!

Die 30 Km sollten auch eine Art Training sein. Ich hatte deshalb kein Powergel dabei, wollte ja keine Kohlenhydrate aufnehmen. Die Energiespeicher sollten vollständig entleert werden. Das ist schließlich der Sinn der ganz langen Läufe. Aber was hätte ich nach 23/24 Km für ein Stück Banane gegeben. Gab es aber nicht oder nicht mehr. Ich konnte kaum noch meine Kilometerzeiten ausrechnen. Der Kopf funktionierte nur noch schwerfällig. Durst, unendlicher Durst und das Wasser war warm und abgestanden. Irgendwo bei Km 25. „Wir haben nichts mehr“, sagte ein Helfer an der „Getränkestation“. Und dann doch: „Das ist das Letzte“, und hielt mir eine große Flasche „Gatorade“ hin, mit einer Restpfütze drin. Ich schüttete es in mich rein und war froh und dankbar überhaupt noch etwas bekommen zu haben. Und nach mir? Oder gab es da niemanden mehr? Hatten die alle aufgehört? Ich musste einige kleine Gehpausen einlegen. War platt, so schrecklich voll fertig. Hinter mir schien sich ein rotes T-Shirt näher zu schieben. Das kannte ich schon aus dem ersten Laufdrittel. Aber „es“ blieb hinten und war dann wieder ganz verschwunden. 28 Km „geschafft“, 2 Km verbleiben. Optimismus fühlt sich anders an. Aber die würde ich noch hinter mich bringen. Irgendwie. Die Zeit? Wenn es nicht noch schlimmer würde, würde ich unter 3:30 Stunden bleiben. So richtig kriegte ich das Rechnen nicht auf die Reihe.

Unglaublich der Sportplatz in Bertlich kommt in Sicht. Davor stehen 2 oder 3 blinkende Rettungsfahrzeuge. Ich biege auf den Sportplatz ein, die letzten 200 m oder so.

Das Ziel. Ich halte meine Stoppuhr an. 3:27:28 Stunden. Für ein langsamen Trainingslauf wäre das akzeptabel. Im Ziel gibt es was zu trinken, nur Wasser, alles andere ist weg. Auf einer Trage wird ein Läufer weggebracht. Die Gefahr bestand bei mir zu keiner Zeit. Wenn ich nicht mehr kann, dann kann ich eben nicht mehr. Ich würde weiter gehen oder stehen bleiben. Überdrehen funktioniert bei mir nicht, da gibt es zum Glück eine körpereigene Bremse die mich rechtzeitig stoppt.

Jetzt kommen 2 Läufer auf den Platz eingebogen. Es sind die beiden „Pseudoläufer“ Magdalene und Volker. Magdalene hat ein paar Meter Vorsprung. Volker sieht mit seinem langen Zopf noch bedeutend elendiger aus als Magdalene. Dann nach einem weiteren größeren Abstand kommt noch ein schleichendes „Etwas“ an. Ich aber verlasse den Platz und gehe zur nahen Pausenhalle. Da gibt es Kaffe und ein Stück „Restkuchen“, aber auch preiswert. Der Kaffe tut gut. Etwas anderes als Wasser. Ich fühle mich weiter ausgelaugt und sehr am Ende. Aber es wird schon wieder.

Ich hole meine Urkunde und bin geschockt. 3:30:43 Stunden. Was haben die denn gemessen? Ich habe keine Erklärung und bin zu schlapp um nachzufragen. Auch wenn es nur etwas mehr als Minuten Differenz sind und die Zeit eh keine Rolle mehr spielt, ist das eine weitere Enttäuschung.

Erst später im Internet lese ich, dass es bei 30 Km-Lauf einige „Differenzen“ bei der Zeiterfassung gegeben hat.

Ein positives Fazit:

Die Erfahrung der Auswirkungen eines Hitzelaufes.

Die Erfahrung der Folgen eines offensichtlich unangemessenen Einstiegstempos.

Ein absolvierte und notweniger 30 Km-Lauf vor dem nächsten Marathon.

Wieder Mal nicht aufgegeben zu haben.

Schwäche erfahren und überwunden zu haben.