Sonntag, 6. Januar 2013

Laufen im Kaiserwald




Die Zeit rast unbarmherzig davon. Mein letzter Beitrag vom letzten Advent. Wann war das denn? Die Erinnerungen verblassen. Dabei  verdient jeder Tag festgehalten zu werden. Doch es ist uns nicht vergönnt.

Auch die Reise nach Karlsbad vom 21. bis 27. Dezember am Ende des vergangenen Jahres ist Geschichte. Aber es ist noch nicht alles vergessen. Es war im Kern eine Busrundreise durch Tschechien mit Karlsbad als Ausgangspunkt. Ausflüge nach Pilsen, ins Tepler Hochland mit einer Stipvisite zum Kloster Tepla und nach Marienbad, mit einem Besuch von Prag, einem Ausflug ins Erzgebirge und einige Dinge mehr: die Tage waren damit ausgebucht. Daneben auch noch laufen? Ich war von Anfang an skeptisch, ob sich die Möglichkeit zum Laufen ergeben würde. Schließlich packte meine bessere Hälft meine von mir bereits aussortierten Laufsachen mit einem "Basta" doch noch in den Koffer. Und so musste ich diese Utensilien dann vor Ort auch nutzen.

Das Hotel befindet sich weit außerhalb des Kurbetriebes inmitten des Kaiserwalds. Unterhalb fließt die Tepe vorbei.

(Blick aus dem Hotelzimmer)



Der Kaiserwald ist eine zusammenhängende Waldfläche. Die Orte Karlsbad und Marienbad mögen als geografische Anhaltspunkte dienen. Von Karlsbad an die tschechisch-deutsche sind es etwa 50 Kilometer. Nach Prag benötigt man über Land zwei Busfahrstunden. Und der Kaiserwald grenzt an das Erzgebirge. Es handelt sich um eine Fläche von 800 Quadratkilometern im Mittelgebirge, welches überwiegend mit Fichten, Kiefern und Birken bewachsen ist. Kleinere Teile stehen unter besonderem Naturschutz. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der Natur einiges abverlangt wurde. Der Dreißigjährige Krieg, Zinnbergbau, Truppenübungsplätze nach dem zweiten Weltkrieg und Holzeinschlag haben bis heute Spuren hinterlassen. Aber immerhin ein großes zusammenhängendes Waldgebiet.

Bei unserer Ankunft am späten Nachmittag des 21. Dezember zeigt die Landschaft ein wildromantisches winterliches Weihnachtsbild. Der Wald hatte ein wunderschön anzuschauendes Schneekleid angelegt.

22. Dezember, Fahrt nach Pilsen. Kein laufen.



Am Morgen des 23. Dezember nutzte ich dann das kleine Zeitfenster vor dem Frühstück zu einem ersten Testlauf. In der Nacht hatte es noch etwas Neuschnee gegeben. Sehr nass und schon wieder auf dem Rückzug. Dazu ein kräftiger Regen. Kein Hund jagt man bei solchem Wetter vor die Tür. Wohin läuft man, wenn man die Gegend nicht kennt und bei der noch herrschenden Finsternis auch nichts sieht? Man schlägt eine willkürliche Richung ein. Von der Straße weiter weg folge ich zunächst noch dem Licht von Laternen am Wegesrand. Ein Gebäude noch und dann ist nichts als Dunkelheit. Der Weg findet gleichwohl noch seine Fortsetzung. Der Schnee lässt es erahnen. Was erwartet mich? Hundegebell, mit jedem Schritt lauter und wilder werdend. Als ob die Dunkelheit nicht schon unheimlich genug wäre. Ich erkenne zwei unterschiedliche Hundestimmen. Sie schlagen an wie wild, so als würden sie mich gleich in Empfang nehmen wollen. Unterhalb des Weges erahne ich ein Gebäude, dann endet auch der breite Weg. Ob es noch weiter geht werde ich nie erfahren. Denn ich nehme meine Beine in die Hände und renne zurück. Das Gebell wird leiser, welch ein Glück. Am Hotel vorbei in die entgegengesetzte Richtung wie zuvor. Es geht in eine Siedlung rein, die immerhin etwas Licht bietet. Schnee, Schneematsch und Pfützen von unten. Von oben kommt der Regen scheinbar aus Kübeln. Ich führe eine Art Kneipkur durch; doch ist Karlsbad eher für berüchtigte Trinkkuren bekannt. Vor mir läuft eine Person - in Begleitung eines Hundes. Dieser hat mich wahrgenommen und schlägt unverzüglich an. Läufer sind hier wohl nicht oft zu Gast. Die Hunde haben jedenfalls ihre eigene Meinung zu dieser zweibeinigen Spezies. Der Hund ist angeleint, doch mir reichts. Kehrt Marsch, zurück zum Hotel. Duschen, Frühstück, Fahrt zum Kloster Tepla und nach Marienbad. Auf  700 m Höhe liegt auf abgelegenem Weg Schnee und es ist glatt. Es gibt einen kleinen Zwischenfall. Der Bus rutsch leicht aus der Spur und muss von einem Bagger befreit werden. Etwas Abenteuer kann es im Winter immer mal geben. Alles geht gut.

 


Heiligabend, der 24. Dezember, am frühen Morgen, wie gehabt. Erstaunlicherweise sind meine Laufschuhe getrocknet. Ich starte einen zweiten Laufversuch. Der Schnee ist von den Straßen abgetaut. Ich entschließe mich die Straße in Richtung Kurzentrum zu laufen. Das dürften etwa 4 Kilometer Wegstrecke sein. Die Straße ist wenig befahren. Sie führt entlang des Flusses Tepe, der infolge der Schneeschmelze deutlich angeschwollen ist und das Wasser mit tosender Begleitmusik talwärts abtransportiert. Zunächst lebe ich noch von der Beleuchtung der Siedlung hinter mir. Doch nach der nächsten Biegung hat die Dunkelheit das letzte Licht verschluckt. Ich erahne nur noch die Fahrbahnmarkierung. Das Geräusch des Flusses wirkt umso lauter. Ich kenne den Weg nicht und mache mir so meine Gedanken. Ich kalkuliere, ob ich jetzt eventuell unterhalb des Grundstücks mit den Hunden vom Vortag laufen müsste. Ich denke zuviel. Obwohl  es ruhig bleibt wird mir nicht wohler. Ich kehre um und laufe erneut wie am Vortag durch die nahe Siedlung, die wie ausgestorben wirkt. Es lässt sich besser laufen als am Vortag. Und so komme ich auf eine Laufdauer von gut 45 Minuten. Immerhin.

Vor dem Hotel treffe ich einen älteren Herrn, einen Mitreisenden. Den kenne ich aus der Zeitung. Es ist Günter Kefenbaum, ein läuferisches Urgestein aus Recklinghausen. Er hat vor über 25 Jahren den Recklinghäuser Silvesterlauf auf demWeg gebracht und ist Mitinitiator des Recklinghäuser Lauftreffs. Auch engagiert er sich im Recklinghäuser Leichtathletik Club. Ein drahtiger 75-jähriger, auch wenn er seine Laufsachen für die eine Woche zu Hause gelassen habe. Aber so habe ich jedenfalls doch die Gelegenheit zu etwas Fachsimpelei, was sehr angenehm ist. 

Duschen, Frühstücken, Fahrt nach Karlsbad ins Kurzentrum mit Reiseleiterin. Heiligabend!



25. Dezember, Fahrt in die goldene Stadt Prag.Noch etwas eher Frühstücken als sonst, noch etwas eher aufstehen als sonst, noch etwas eher Laufen als sonst. Die milden Temperaturen, etwa 4 Grad, halten an. Ich nehme den bewährten Weg vom Vortag. Damit es nicht zu gemütlich wird pfeift mir ein kräftiger Wind um die Ohren. Die Straße ist, wie ich schon erwähnte, wenig befahren. Ich kann herankommende Fahrzeuge rechtzeitig durch deren Lichtkegel sehen und auch hören und verhalte mich entsprechend. Sicherheit zuerst. Es ist mal wieder ausnahmsweise soweit. Von hinten kommt etwas herangerauscht. Ich erkenne vor mir eine düstere Grundstückseinfahrt. Da laufe ich rein. Zwei, drei Schritte, dann erwische ich mit dem linken Fuß ein kleines Fleckchen Schneerest. Keine Chance das Gleichgewicht zu halten. Ich krache unkontrolliert zu Boden. Da verbleibe ich verblüfft ein paar Sekunden. Dann raffe ich mich wieder auf. Das Auto stellte keine Gefahr dar. Doch der Fahrer / die Fahrerin musste meinen Sturz bemerkt haben. Setzt zurück, doch ich kann beruhigend abwinken und meinen Lauf fortsetzen. 

Im Hotel sehe ich, dass ich im wahrsten Sinne des Wortes in den Dreck gefallen bin. Duschen, Frühstücken auf nach Prag. Eine eindrucksvolle Stadt.


 (Die Moldau im Dezemberlicht)


26. Dezember, letzter Tag vor Ort. Fahrt ins Erzgebirge. Zuvor laufen. Es ist eine Kleinigkeit kälter geworden. Stellenweise überfrierende Nässe. Alles geht gut. Später im Erzgebirge. Auch hier erstaunlich wenig Schnee. Die Skipiste in Oberwiesental ist aber in Betrieb.



 Am frühen Nachmittag zurück im Hotel. Noch etwas Zeit. Endlich kann ich einmal in den Wald gehen. Es reicht für einen kleinen Spaziergang und es ist wunderschön. Ich atme die Waldluft ein und kann mich gar nicht satt sehen. Es ist tatsächlich ein richtig schöner Wald und ich bin restlos begeistert. Schade, dass der Eindruck nur so kurz sein konnte.



27. Dezember: Abreise. Aber nicht ohne vorher noch gelaufen zu sein. Frühes Fühstück, früheres Aufstehen, früheres Laufen. Im Aufenthaltsraum läuft der Fernseher: Kontrollbild, pfeifender, schriller Ton.  Das Hotel ist noch abgeschlossen. Doch der Schlüssel steckt in der Tür. Ich bin dann mal weg. Letzter Tag; daran, dass ich beim Laufen ziemlich wenig sehe habe ich mich gewöhnt. Auch das mulmige Gefühl aus den ersten Tagen ist verschwunden. Heute laufe ich bis ins Kurzentrum nach Karlsbad rein. Die imposanten Hotels erscheinen im glänzenden Licht. Doch es ist keine Zeit mehr. Die Rückfahrt duldet keinen Aufschub.

Fazit: interessante Reise und die Erkenntnis, dass man auch bei Dunkelheit laufen kann, ohne dass es langweilig wird.


          

Samstag, 5. Januar 2013

Laufen im Kaiserwald


Anfang der Woche geht es hier weiter mit einem kleinen Bericht über meine Lauferfahrungen in Tschechien.