Dienstag, 22. Oktober 2013

Es ist Herbst


Natürlich ist es Herbst. Wer wollte das beim Blick auf den Kalender bestreiten. Auch die ungewöhnlich milden 22. Grad heute Mittag ändern daran nichts. Auch nicht der Marienkäfer, der sich  heute Vormittag auf meinem Balkon verirrt hatte. Oder die Schmetterlinge beim Flug durch die sonnendurchflutete Herbstwelt. Mit jedem Schritt draußen vergegenwärtigt sich die Jahreszeit. Ich laufe zunächst auf einem Teppich aus Eicheln. Bei jedem Schritt knackt es unter meinen Schuhsohlen.Fallobst in Massen. Jedenfalls bei den Äpfeln ist es so. Ich hätte bei meinem heutigen Lauf sicher eine Schubkarre voll bekommen. Der spürbare Wind  raschelt durch den bunten Blätterwald. Dieser ist in den letzten Tagen deutlich dunkler und bunter geworden. Auch der Blätterteppich am Boden im Wald nimmt langsam Gestalt an, wird mit jedem Tag dichter. Wann wohl die Bäume überwiegend kahl sein werden? Vielleicht in vierzehn Tagen? Das Landschaftsbild ändert sich jetzt von Tag zu Tag. Herbst, eine wundervolle Jahreszeit mit stetem Wandel. Nebel und den ersten zarten Raureif hatten wir schon. Heute, der vermutlich letzte wirklich warme Tag in diesem Jahr. Aber wer weiß das schon? Es wird jetzt wieder kühler werden. Für die nächsten Tage ist Regen vorhergesagt. Und sicher kommen später dann auch die rauhen, grauen und unwirtlichen Novembertage als Vorboten des Winters. Herbst, eine wundervolle Zeit, die einzigartige Läufe beschert, so wie heute.

Ach ja, seit genau drei Monate laufe ich jetzt täglich. Aber das war heute völlig unwichtig, reiner Zufall und während meines gut einstündigen Laufens hatte ich das völlig vergessen. :-)

Mittwoch, 9. Oktober 2013

105 Kilometer durch das Ruhrgebiet

 Um es vorweg zunehmen. Ich bin nicht unter die Ultraläufer gegangen. Es gibt ja diese speziellen Läuferinnen und Läufer die es schaffen 105 Kilometer an einem Stück zu laufen. Ich gehöre beileibe nicht dazu. Ich habe vielmehr fünf Läufe für diese Distanz gebraucht, verteilt auf mehrere Monate. Fünf Halbmarathonläufe durch verschiedene Städte des Ruhrgebiets. Es ergibt sich daraus eine gewisse Gesamtsicht, die selbstverständlich lückenhaft bleiben muss. Zur Gesamtschau zum Schluss ein paar Bemerkungen. Zunächst hier aber mein Bericht über den Phönixsee-Halbmarathon in Dortmund, den letzten Abschnitt meiner ganz persönlichen Ruhrgebietsentdeckung.


Wieder also so ein Wettkampf. Man zahlt für seine gelaufenen Kilometer Geld bei einem Veranstalter und man hat über die reine Laufzeit hinaus auch noch einen riesigen Zeitaufwand. Und doch sind allein bei diesem Halbmarathon mehr als 1.600 Läuferinnen und Läufer am Start. Ich bin einer von den Verrückten, die an diesem fragwürdigem Unterfangen teilhaben wollen. Hinzukommen Staffelläufer und eine große Anzahl an Schülern. Läuft man gegeneinander oder miteinander? Ich laufe gegen mich selbst. Oder laufe ich doch für mich oder kommen gar beide Spielarten des Laufens zusammen? Genug der Fragezeichen. Irgendwo muss der Reiz sein, sonst würden solche Veranstaltungen nicht existieren. 

 Als ich kurz nach sieben Uhr das Haus verlasse ist der Himmel wolkenlos und es ist kalt. 3 Grad, stellenweise der erste zarte Raureif und einige Autoscheiben sind mit einer hauchdünnen Eisschicht bedeckt. Es ist der 3. Oktober, es ist Herbst und das Jahr neigt sich langsam aber sicher seinem Ende entgegen. Nach dreimaligem Umsteigen mit dem feiertagsbedingt ausgedünnten Nahverkehr komme ich schließlich in Dortmund Hörde an. Knapp 10 Minuten zu Fuß und ich habe die Hörder Burg am Phönixsee erreicht. 
 

Auf dem Burgvorplatz herrscht ein emsiges Gewimmel von Läuferinnen und Läufern. Die ersten Schülerläufe sind schon im Gange. Ich treffe meine Vorbereitungen und gebe meine Sachen auf einen der fünf dafür bereitgestellten LKW`s von „KIK“ (Textildiscounter) ab. 

 

Am Start habe ich ein paar Zeitmarken im Kopf. Es ist der zweite Phönixsee-Halbmarathon. Ich bin beim zweiten Mal dabei. Im letzten Jahr war ich mit 2:29:47 Stunden im Ziel. Das war mein bisher langsamster HM überhaupt. Das galt es zu verbessern. Der Lauf in Dortmund war zudem mein fünfter HM in diesem Jahr. Zuletzt gab es am 1. September in Bochum einen deutlichen Aufwärtstrend mit 2:14:31 Stunden. Dann habe ich auch meinen allerersten HM im Dezember 2006 in Erinnerung. Ich bin da 2:19:xx Stunden gelaufen. Mittlerweile ist es für mich keine Selbstverständlichkeit mehr diese Zeit zu unterbieten. Ich bin älter und langsamer geworden.

Ein kurzes Warmlaufen und ich reihe mich ins Starterfeld ein, ganz hinten. Ich habe festgestellt, dass dies ein guter Platz für mich am Start ist. Ein paar Meter vor mir noch die Gruppe um den „Pacemaker“ für die Zielzeit 2:30 Stunden. Ich habe gedämpfte Erwartungen und kein ganz gutes Gefühl. Hoffe aber, dass sich das noch ändert. Mein zunächst begrenztes Ziel heißt: ordentlich laufen und gut ins Ziel zu kommen.

Es geht los. Zunächst eine Runde um den Phönixsee herum. Der künstliche Flachwassersee hat eine Länge von 1230 Metern, eine maximale Breite von 310 Metern und eine Tiefe von über vier Metern. 

Der Pacemaker vor mir läuft etwas zu schnell an für seine Zielgruppe. Das könnte für Läufer, die das als ernsthaftes Ziel ansteben kontraproduktiv sein. Nach knapp 700 m lasse ich diese Gruppe hinter mich. Hier am See in Nähe der Burg sind viele Zuschauer an der Strecke, vermutlich überwiegend Begleitung der Läufer. Die Seeumrundung ist schnell geschafft. Schließlich ist man noch am Beginn eines langen Laufes und noch voller Energie. Es geht ins Gelände hinaus in Richtung der Industrieanlagen des ehemaligen Phönix-Stahlwerkes. Der Weg ist gut zu belaufen. Es geht ins Grüne, von „Industrie“ zunächst noch keine Spur. Das Gelände ist hügelig und für „Flachländer“ durchaus anspruchsvoll. Es ist zwar immer noch kühl, aber die Sonne und die Laufanstrengungen lassen mich ordentlich schwitzen. Ich laufe nach meinem Gefühl etwas zu schnell und sogar schneller als vor einem Monat in Bochum. Ich bin sicher, dass ich dafür später noch bezahlen muss. Doch wenn man erstmal läuft und seinen Rhythmus gefunden hat, dann ist kaum noch möglich etwas zu korrigieren.

Industriekultur“ kommt in Sicht. Relikte aus der Vergangenheit. Durchaus imposante Bauwerke aus dem Komplex des früheren Stahlwerkes. Da waren einmal tausende von Menschen beschäftigt. Heute dient es als Hintergrund für eine Laufveranstaltung.

Dann geht es Richtung Westfalenpark und nach gut sieben Kilometern kommt die erste Getränkestation. Auftanken nach schon ordentlichem Flüssigkeitsverlust. Es ist schön durch den herbstlichen Park zu laufen. Ich passiere den Florianturm. Der Westfalenpark wurde zur ersten von den drei dortigen Bundesgartenschauen (1959, 1969, 1991) auf dem Gelände einer Mülldeponie eröffnet. Er gehört zu den großen Parkanlagen in Deutschland. Mittelpunkt ist der 220 m hohe Florianturm. Von oben hat man bei guter Sicht einen schönen Ausblick, z.B. auf den Signal-Iduna-Park, besser bekannt als Westfalen-Stadion. 

Bei Kilometer 10 habe ich einen Schnitt von 6:17 Min./Km. Das sind etwa 5 Sekunden pro Kilometer schneller als zuletzt in Bochum. Ob das gut oder schlecht ist werde ich erst hinterher sagen können. Wenn ich es durchhalte ist es gut, wenn ich einbreche war es nicht so gut. Solange ich unterwegs noch Hochrechnungen anstelle ist aber noch alles in Ordnung. Nach gut 12 Kilometer kommt eine weitere Getränkestation. Ich trinke einen Becher mit einem Isogetränk und einen weiteren Becher mit Wasser. Mein ursprüngliches Tempo kann ich danach nicht mehr ganz halten, was aber nicht an den Getränken liegt. 

Es geht raus aus Westfalenpark und kurze Zeit danach in den botanischen Garten "Rombergpark". Dann geht es ein kurzes unansehnliches Stück durch ein Industriegebiet, welches zum Glück schnell passiert ist. 15 Kilometer sind geschafft. Inzwischen sind auch kleinere Anstiege anstrengend und mühsam halte ich auch hier den Laufschritt bei. Im BMW-Zentrum reichen Mitarbeiter der Firma letztmalig Getränke bereit. Für die teuren Blechkisten habe ich trotzdem keinen Blick über. Und auch die laute Live-Musik einer Band verhallt bald. Schon wieder einer kleiner Anstieg, der alle Kraft fordert.

Nach Kilometer 16 überhole ich das BVB-Trikot von Robert Lewandowski, getragen von einer Läuferin. „Komm Robert, auf geht`s“, versuche ich die junge Dame aufzumuntern. „Eigentlich müsste der (wechselwillige Spieler) zu Fuss zu den Bayern nach München gehen", kommentiere ich noch und erhalte dafür auch Zustimmung.

„Noch dreieinhalb Kilometer und es geht jetzt nur noch runter,“ gibt mir ein Ordner als Motivationshilfe mit auf dem Weg. Das mit den dreieinhalb Kilometer stimmt zumindest. Und statt der „bösen“ Anstiege ist jetzt frischer Wind aufgekommen, der zunächst von vorne kommt. Meine Beine signalisieren inzwischen Alarmstufe rot. Ich fühle mich auch sonst stocksteif und bin jetzt nur noch getragen von dem Wunsch das Ziel zu erreichen und möglichst nicht zuviel Zeit zu verlieren. 
 
Die Runde um den See am Ende des Laufes kommt mir unendlich lang vor. Es ist aber der gleiche Weg wie zu Beginn, nur anders herum. Den Läufern um mich herum geht es wohl auch nicht besser als mir. Ich motiviere mich damit den einen oder anderen „einzusammeln“. Mit dem Hochrechnen der Zielzeit klappt es jetzt aber nicht mehr wirklich. Zahlen schwirren unkkordiniert durch meinen Kopf und ergeben keinen Sinn. Endlich Kilometer 21 und die Zielgerade. Der Versuch ein halbwegs freundliches Gesicht aufzusetzen und so tun, als ob die zurückliegende Strecke ein Spaziergang gewesen sei. Erlösung im Ziel. Zum Glück dauert es nicht lange, bis die erste Erholung eintritt und Freude aufkommt, über einen abwechslungsreichen und insgesamt gelungenen Lauf. Laufen macht Spaß, manchmal allerdings erst nach dem Lauf.
 

Die offizielle Laufzeit weist mir eine Zeit von 2:14:45 Stunden zu. Ich bin mehr als zufrieden, habe ich meine Vorjahreszeit doch um etwas mehr als 15 Minuten verbessert. Und ich bin auch noch etwa 5 Minuten schneller als bei meinem Halbmarathondebüt vor bald sieben Jahren. Scheinbar habe ich der Zeit ein Schnippchen geschlagen. Doch ich weiß zugut, dass der Schein trügt. Aber immerhin zeigt das regelmäßige Laufen eine gewisse Wirkung.

Von der Strecke her gehört dieser Lauf zu den schöneren und interessanteren der fünf in diesem Jahr von mir gelaufenen Halbmarathons. Der Lauf war wegen der Anstiege sicher auch der anstrengenste. Aber wie habe ich in einer Werbebroschüre für Laufbekleidung gelesen: Wer sich steigern will braucht Anstiege."

Das war also der Abschluss meiner Laufserie durch das Ruhrgebiet.

Begonnen hat es im Februar beim Halbmarathon in Duisburg im Rahmen der Winterlaufserie. Ein schöner Landschaftslauf um eine Seenplatte, einschließlich der bekannten Rader-Regattastrecke.

Im Mai folgte der Vivawest-Halbmarathon durch Gelsenkirchen und Essen. Höhepunkte dort unter anderem das Laufen durch das Gelände der früheren Zeche Zollverein, die zum Weltkulturerbe gehört. Später dann in Gelsenkirchen konnte ich den Nordsternpark durchlaufen. Auch da hat vor Jahren mal eine Bundesgartenschau stattgefunden.  "Nordstern", es verwundert nicht, ist auch eine frühere Zeche. 

Im Juni dann der Rhein-Ruhr-Halbmarathon mit Anschauungsunterricht in Sachen Wohnsiedlungen im Ruhrgebiet. Nicht immer schön. 

Im September dann der Lauf durch Bochum auf einer 5 Kilometer langen Wendestrecke, nicht wirklich spannend. Und jetzt der Abschluss am Phönixsee.

Bei allen fünf Läufen handelt es sich um Einzelveranstaltungen. Für mich ergibt sich in der Addition allerdings auch eine Gesamtsicht des Ruhrgebietes: abwechslungsreich, grüner als man denkt, nicht überall schön aber als Ganzes durchaus  liebens- und lebenswert. Übrigens: den typischen Ruhrgebietler gibt es aus meiner Sicht heute nicht mehr. Was da manchmal hineininterpretiert wird, ist häufig klischeedurchsetzt. Von seiner Sozialstruktur ist das Ruhrgebiet ein nicht unproblematischer Schmelztiegel. Aber das ist meine ganz persönliche Meinung und weitere Ausführungen dazu würden den Rahmen sprengen.